Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Warnung vom Balkan

Kosova zeigt: Eine UN-Verwaltung ist dem Irak nicht zu wünschen | Von Agron Bajrami

Der Kampf ist aus, die Debatte um die Position der Vereinten Nationen im Nachkriegs-Irak steuert auf ihren Höhepunkt zu. Dabei wird Kosova immer wieder als Argument angeführt - und zwar sowohl für als auch gegen eine führende Rolle der UN. Tatsächlich kann das Beispiel Kosova helfen, den richtigen Weg für den Irak zu finden. Denn in der Region zwischen Serbien, Montenegro, Albanien und Makedonien kann man live erleben, wie die UN-Verwaltung einer Nachkriegsgesellschaft jenseits aller Theorien und Pläne in der Praxis aussieht.

Die Geschichte der Mission der Vereinten Nationen in Kosova (UNMIK) begann im März 1999. Gerade war die Nato dabei, mit Luftangriffen auf die Bundesrepublik Jugoslawien die die zwölfjährige Terrorherrschaft des serbischen Präsidenten Slobodan Miloseviæ über Kosova zu beenden. Da beschloss der Sicherheitsrat die Resolution 1244, die es sowohl der Nato als auch der jugoslawischen Führung erlaubt, den Krieg zu beenden - und das ohne den Einsatz von Bodentruppen.

Resolution 1244 ist eine Kompromiss zwischen dem Wunsch der albanischen Mehrheit in Kosova nach einer Unabhängigkeit von Jugoslawien und dem der serbischen Minderheit nach einem Verbleib im bisherigen Staat. Kosova verblieb völkerechtlich bei Jugoslawien, erhielt aber eine von diesem Staat unabhängige UN-Verwaltung mit der Aufgabe, das zerstörte Land wieder aufzubauen. Die Resolution 1244 löst den grundsätzlich Konflikt also ausdrücklich nicht - und die UN hatte von Anfang an die Aufgabe, diesen Status Quo zu bewachen. Trotzdem wurden die Vereinten Nationen von der Mehrheit der albanischen Kosovaren freundlich begrüßt. Sie sahen in den eintreffenden "Internationals" Befreier und legten ihr Vertrauen in die neuen Verwalter. Die Erwartungen waren hoch nach all den Jahren der Unterdrückung. Zudem hielt UNMIK sich nicht auch eben zurück, wenn es um große Versprechungen und Pläne für das neue Kosova ging. Nur Wenige glaubten diesen schon damals nicht.

Heute dagegen machen die meisten Kosovaren UNMIK verantwortlich für vier Jahre der Hoffnungslosigkeit. Warum? Eine UNMIK-Übersetzerin verdient vier Mal so viel wie eine Universitätsprofessorin, ein UNMIK-Fahrer 20 bis 30 Mal so viel wie ein Rentner. Die Manager der staatlichen Firmen, die der UN unterstehen, verdienen drei Mal so viel wie die Minister der gewählten Regierung Kosovas - in einem Land, in dem die Hälfte der Bevölkerung nach UN-Maßstäben als arm gilt.

Die Arbeitslosigkeit im UN-verwalteten Kosova liegt vier Jahre nach Kriegsende bei 70 Prozent. Weder funktioniert die Energieversorgung, noch das Post und Telefonnetz, noch die medizinische Versorgung, noch das Erziehungswesen, noch die Mülbfuhr, noch Wasserversorgung, noch Umweltschutz. Von einem Funktionierendem staatlichen Sicherheitspparat kann keine Rede sein, die UN-Bemühungen, einen unabhängigen Justizapparat zu schaffen sind genauso gescheitert wie die Reform der Polizei. Gleichzeitg spielen in den UN-verwalteten Betrieben Arbeitnehmerrechte keine Rolle; die Vereinten Nationen kümmern sich bei der Privatisieriung weder um die Wünsche und Ansprüche der Belegschaften, noch darum, dass die Unternehmen in Ex-Jugoslawien öffentlicher Besitz sind. Die UNMIK-Finzverwaltung schützt nicht die einheimische Produktion und tut für den Export. Viele Kosovoaren glauben zudem, dass UNMIK Korruption bei öffentlichen Mandatsträgern im Tausch gegen deren Unterstützung der Mission toleriert hat. Sollte dies stimmen, kann es nicht verwundern, wenn die Macht trotz des katastrophalen Missmanagements der vergangenen vier Jahre letztendlich bei der UN bleiben muss. Auch wenn der derzeitige UNMIK-Chef Michael Steiner nicht müde wird, mehr Rechten für die gewählten Institutionen von Kosovo zu versprechen.

So bleiben die Kosovaren auch nach dem Ende der serbischen Repression fremdbeherrscht. Es bleibt zu hoffen, dass die zukünfiten Verwalter des Irakaus den Fehlern von der UN-Mission in Kosova lernt. Es wäre nicht nur schade, wenn sich die Geschichte eines 2-Millionen Einwohnerlandstrichs an der südöstlichen Peripherie Europas im Nahen Osten wiederholt werden würden. Sondern in Anbetracht der Größe und Bedeutung des Irak auch gefährlich.


Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur von "Koha Ditore"(Tageszeit), der größten Zeitung Kosovas

Übersetzung: Rüdiger Rossig