Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Etwas vage im Detail

"Jugoslawien nach dem Krieg" - die Stimme der Restopposition | Von Rüdiger Rossig

Die restjugoslawische Opposition scheint ihre Stimme wiedergefunden zu haben: Mit der Erklärung "Jugoslawien nach dem Krieg" haben sich diese Woche erstmals zwei jugoslawische Politiker offen über eine mögliche Zukunft nach dem Krieg geäußert. Im Zentrum der Forderung des ehemaligen Bürgermeisters von Belgrad, Zoran Djindjic, und des Präsidenten Montenegros, Mile Djukanovic, steht: Keine Verhandlungen mit Slobodan Miloevic.

Das klingt logisch. Denn die Karriere Miloevic' ist eine Ansammlung von Vertragsbrüchen. Angefangen von der Kosovo-Kampagne, mit der er sich 1987 als Chef der serbischen Kommunisten etablierte, über die zahlreichen gebrochenen Waffenstillstände während der Kriege in Kroatien und Bosnien bis hin zu den diversen Zusagen, die Zustände im Kosovo zu verbessern.

Miloevic ist nicht zu trauen - soweit haben Djukanovic und Djindjic sicher recht. Sie übersehen jedoch eines: Bisher ist es ihm noch immer gelungen, seine Politik der Bevölkerung Serbiens als Erfolg zu verkaufen - trotz aller Katastrophen. Die Vertreibung der kroatischen Serben im Mai und August 1995, der Verlust eines großen Teiles der serbischen Eroberungen in Bosnien im Friedensvertrag von Dayton und jetzt die Zerstörung auch des serbischen Lebens im Kosovo - das alles geht auf "Slobos" Konto. Geschwächt hat es ihn nicht.

So wurde der Verlust der "Serbischen Republik Krajina" mit dem UN-Mandat für das ebenfalls kroatische Ostslawonien kompensiert, mit dem die serbische Herrschaft dort immerhin geordnet beendet wurde. Dayton wurde als Konsolidierung der serbischen Landgewinne in
Bosnien dargestellt - nicht etwa als Verlust großer serbischer Gebiete an die Muslime und Kroaten. Zudem gelang es der Medienmaschine des Regimes, den SerbInnen zu suggerieren, daß sie die Tatsache, daß in Serbien selbst kein Krieg herrscht, einzig ihrem genialen Führer zu verdanken hätten.

Es war ein schwerer Fehler, daß die internationale Gemeinschaft zu keinem Zeitpunkt auf einer Unterschrift Miloevic' unter seine Kapitulation bestanden hat. Deshalb muß jetzt darauf beharrt werden, daß kein anderer als der jugoslawische Präsident selbst die politische Verantwortung fü die Niederlage übernimmt. Das ist durchaus im Interesse derjenigen politischen Kräfte im Lande, die wirklich das postkommunistische System beenden wollen. Eine Kapitulation, die die Unterschrift etwa von Djindjic oder Djukanovic trüge, würde einer Dolchstoßlegende Vorschub leisten, über die Miloevic dann zum Beispiel die ersten, international überwachten Nachkriegswahlen gewinnen könnte.

Djukanovic und Djindjic unterschätzen die Anpassungsfähigkeit des Präsidenten. Haben sie nicht aufgepaßt? Oder stehen die beiden etwa gar nicht für den "radikalen Wandel und Neubeginn", den sie postulieren? Djindjic hat seit Beginn des Zerfalls Jugoslawiens schon so manche Meinung vertreten und später geändert. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Klientel von Djindjic' "Demokratischer Partei" 1997 während seiner kurzen Amtszeit als Belgrader Bürgermeister ehemals der Miloevic-Clique gehörende Pfründen aneignete, hat selbst hartgesottene Beobachter erstaunt.

Montenegros Präsident Djukanovic dagegen ist Teil der exkommunistisch-kriminellen Seilschaften, die die Kriege in Jugoslawien vom Zaun gebrochen und geführt haben. 1991 hatte er sich für den Beschuß Kroatiens ausgesprochen, und über seine Verbindungen zum Schwarzmarktmilieu kursieren zu viele Geschichten, als daß alle erlogen sein könnten. Daß er mittlerweile den Kontakt mit dem Westen sucht, darf nicht darüber hinwegtäuschen, für welche politische Kultur er letztendlich steht.

Das alles heißt nicht, daß der Westen die Erklärung "Jugoslawien nach dem Krieg" einfach übersehen oder Djindjic und Djukanovic ignorieren sollte. Nach sieben Wochen Krieg muß jede Möglichkeit genutzt werden, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Doch bevor die beiden dort Platz nehmen, sollten sie zumindest erklären, wie sie denn mit dem Kriegsgrund, dem Kosovo, umgehen wollen. Die Forderung nach "einer vernünftigen politischen Lösung", die sie in ihrem Papier postulieren, könnte so auch von Miloevic stammen.