Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

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Kosovo: Die UÇK-Entwaffnung wird ein schwieriges Geschäft | Von Rüdiger Rossig

Sie klingt gut, die Nato-Ankündigung, nun würden alle Kämpfenden im Kosovo entwaffnet - auch die Mitglieder der UÇK. Vor Ort aber stehen die Nato-Soldaten vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Denn nach zehn Jahren Apartheid ist jeder zweite Albaner unter vierzig irgendwie Mitglied der UÇK. Und Waffen dürften so ziemlich alle Menschen im Kosovo im Schrank stehen haben.

Aber kann nicht einfach der Generalstab der UÇK seinen Soldaten befehlen, ihre Ausrüstung abzuliefern? Und dann Waffe für Waffe anhand der Mannschaftslisten abhaken? Nein, die UÇK-Kämpfer haben weder einheitliche Uniformen noch erkennbare Dienstgrade, weder Soldbücher noch andere Insignien einer Armee, anhand derer Nato-Patrouillen bei der Entwaffnung vorgehen könnten. Selbst wenn die offizielle UÇK in einigen Wochen aufgelöst würde: Es bleiben Hunderttausende von Waffen in Privatbesitz. Die sogenannte Entwaffnung der UÇK wird somit zu einer polizeilichen Aufgabe werden, für die Nato-Soldaten nicht ausgebildet sind.

Hier rächt sich, daß die Nato nie bereit war, von den Erfahrungen ziviler Organisationen zu profitieren. Hätten sich die Militärs vor ihrem Einmarsch ins Kosovo bei OSZE-Mitarbeitern - die bis Anfang dieses Jahres im Kosovo waren - schlau gemacht, so hätte ihnen klar sein müssen, daß sie ohne die Unterstützung einer Polizeitruppe im Kosovo vor dem Problem stehen, selbst Polizeiaufgaben wahrnehmen zu müssen. Vielleicht wäre die Zusammensetzung des Nato-Kontingents dann heute eine andere - oder es wären zeitgleich zivile Organisationen ähnlich der Internationalen Polizei der Vereinten Nationen in Bosnien mit an Bord genommen worden.

Jetzt ist es zu spät: Schon können Bundeswehr und UÇK in Prizren sich nicht einigen, wer von beiden eigentlich die Stadt beherrscht. Wenn sich Vorfälle wie die Entwaffnungsaktion gestern in Zegra mehren, wird die Nato-Friedenstruppe bei den Albanern in den Ruch einer Besatzungsmacht geraten. Trotz alledem, der Westen muß das Kosovo schnell entwaffnen: Die Nato müßte dem Beispiel der zivilen UN-Übergangsverwaltung im damals noch serbisch besetzten Ostslawonien folgen. Dort entwaffnete Missionschef Jaques Klein 1996 die serbische Bevölkerung, indem er anwies, bis zu 150 Dollar für ein automatisches Gewehr zu zahlen.

Auch wenn eine solche Aktion teuer ist, alles andere führt unweigerlich dazu, daß die Nato-Truppen polizeilich aktiv werden müßten. Aber die Trennung von Militär und Polizei gehört zu den zentralen Charakteristika des Modells "westliche Demokratie", das ja nun auf dem Balkan eingeführt werden soll. Zudem zeigt das nordirische Beispiel, daß eine feindliche Bevölkerung auch ohne schwere Waffen über Jahre hinweg Krieg führen kann. Das Ziel der Nato, Frieden im Kosovo zu stiften, droht endgültig verfehlt zu werden.