Die serbische Opposition demonstriert wieder: Seit Tagen zieht sie durch die Städte des Landes. Die Stimmung ist happeningartig, fast wie bei den großen Anti-Milosevic-Demos von 1996/97. Mit einem großen Unterschied: Statt hunderttausender folgen bisher nur zehntausende den Aufrufen den Opposition - zu wenige, um das Regime wirklich zu bedrohen; aber genug, um Milosevic' Polizei einen Vorwand für ein hartes Durchgreifen zu liefern.
So spielt die Opposition bei ihrem Marsch auf das Prominentenviertel Dedinje, wo Milosevic sowohl sein Privathaus als auch seinen Regierungssitz hat, mit dem Feuer. Die Führer der "Allianz für den Wandel", allen voran Zoran Djindjic, provozieren das Regime - aber ohne die Masse, die nötig wäre, um Milosevic' Machtanspruch tatsächlich zu brechen. Das Kalkül der Oppositon ist dabei offensichtlich: Durch brutale Polizeieinsätze sollen die SerbInnen dazu provoziert werden, sich dem Protest anschließen.
Kann diese Rechnung aufgehen? Vor zwei Jahren haben die Serbien gelernt, dass auch hundertausende Milosevic nicht stürzen konnten; sie haben die Nato-Bombardements überlebt und fürchten nun einen hungrigen, kalten Winter; überall im Lande hat sich Lethargie breit gemacht. Wer geht unter solchen Umständen demonstrieren? Hinzu kommt, dass der Ruf der Opposition in Serbien nicht halb so gut ist wie im Westen. Auf dem flachen Land, wo Milosevic seine Hausmacht hat, gilt Djindjic als Belgrader "sminker", als gebildeter, gut gekleideter Hauptstädter - das Gegenteil von "einem von uns".
Und auch in den Städten hat Djindjic' Ruf seit seinem Gastspiel als Belgrader Bürgermeister gelitten. Denn Djindjic' Demokraten erwiesen sich in weniger als einem halben Jahr als ebenso korrupt und unfähig, wie Milosevic' Sozialisten. Kein Wunder, dass nun nur wenige bereit sind, sich für die Opposition verprügeln zu lassen. Djindjic & Co. sollten sich gut überlegen, ob sie tatsächlich die offene Konfrontation mit dem Regime wollen.