Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Oben bleiben

Berliner Mauer
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Auf ihren Dächern entrannen viele Hauptstädter bislang der Enge. Doch nun wird eine erneute Teilung der Stadt vollzogen | von Rüdiger Rossig

Um die Enge der Großstadt für einen Moment mit dem Blick in den weiten Himmel zu tauschen, fliehen Berliner auf ihre Dächer. Das könnte bald vorbei sein, denn immer mehr Dächer verunzieren mit Stacheldraht bewehrte Sperranlagen.

Wer errichtet – zwei Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer – neue Mauern in Berlin? Und warum? Bei Google produzieren die Suchbegriffe „Dach“, „Mauer“ und „Stacheldraht“ jede Menge Hits zur Teilung Berlins (1961 bis 1989). „Sperranlagen“ führt zur Webseite der Bauaufsicht, wo es um „Umwehrungen“ geht – aber die brauchen nur Balkone. „Das sind Begrenzungen, damit die Leute nicht von A nach B kommen“, erklärt ein Klempnermeister, der auch „Dach- und Zaunbau“ anbietet. Selbst hat er nur „wenige“ davon gebaut, und die „nicht in letzter Zeit“. Wer die in Auftrag gegeben hat? „Na, der Auftraggeber!“

Der Hausmeister des Gebäudes neben dem, auf dem die Sperranlage auf unserem Foto steht, meint: „Is wohl gegen Vandalismus, wa?“ Vor einem Jahr hätte da oben jemand Feuer gemacht. Einbrüche gäbe es auch. Die Hausverwaltung sagt, der Stacheldraht solle „Durchwegungen“ unterbrechen. Und rät, den zuständigen Stadtrat zu fragen, in dem Fall Michail Nelken (Die Linke). Er sagt: „Durch Privatisierungen und immer mehr Dachgeschosswohnungen mit Balkon wuchs das Bestreben der Eigentümer, die Dächer unzugänglich zu machen.“ Verbieten kann der Bezirk das nur, wenn „Verunstaltung“ vorliegt – also selten, da die Dächer von der Straße aus nicht einsehbar sind.

„Einzäunungen sind ein kultureller Verlust“, meint Nelken, „aber kein Gegenstand ordnungsbehördlichen Interesses – solange der Schornsteinfeger seine Arbeit tun kann. Und auch der hat keinen Anspruch, von einem Dach auf das andere zu wechseln; unter Umständen muss er runter und wieder rauf.“

taz, die tageszeitung