Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Corona macht den Balkan dicht

Die Staaten Südosteuropas haben ihre Grenzkontrollen verschärft und Quarantäne für Einreisende angeordnet. Vielerorts wurde der Ausnahmezustand verhängt. Trotzdem wächst die Zahl der Covid-19-Erkrankungen weiter. | Von Rüdiger Rossig

Seit Mitternacht (19.3.) sind Kroatiens Grenzen für den Personenverkehr geschlossen. Nur Staatsangehörige des EU-Landes dürfen ein-, nur EU-Bürger ausreisen. Alle, die im Land bleiben wollen, müssen in Quarantäne oder Selbstisolation. Bisher sind rund 10.000 Menschen betroffen. Transitreisende und der Güterverkehr - ein großer Teil der Waren, die aus der Türkei nach Europa kommen, muss durch Kroatien - werden streng kontrolliert.

Am Mittwoch starb ein positiv getester älterer, chronisch kranker Mann in der Selbstisolation - der erste Corona-Tote Kroatiens. Die Zahl der Covid-19-Erkrankungen unter den 4,2 Millionen Einwohnern ist von Sonntag bis Donnerstag Morgen von 38 auf 102 gestiegen.

Die Bevölkerung ist nervös. Das Hamstern ist zu einer Plage geworden: Fleisch, Mehl und Hygieneartikel sind in vielen Supermärkten ausverkauft.

Der südliche Nachbar Montenegro war bis Dienstagabend das letzte Corona-freie Land Europas. Dann wurden zwei Frauen positiv getestet, die aus den USA und Spanien zurückgekehrt waren. Die Behörden des EU-Kandidaten reagierten sofort:

Die Grenzen wurden für Ausländer ohne Wohnsitz in dem 650.000-Einwohner-Land geschlossen. Alle Einreisenden müssen sich 14 Tage selbst isolieren. Am Mittwoch waren bereits über 1.000 Personen betroffen.

Versammlungen sind verboten. In Geschäften, Banken, Apotheken, auf Märkten und selbst auf Friedhöfen muss der Zwei-Meter-Abstand eingehalten werden. Kindergärten, Schulen, Universitäten, Einkaufszentren, Hotels, Spielhallen, Spielplätze, Restaurants und Cafés sind geschlossen. Fünf Bar-Besitzer, die sich daran nicht hielten, wurden verhaftet.

Im noch weiter südlich die Adriaküste entlang liegenden Albanien dürfen 2,8 Millionen Bürger ab diesen Donnerstag nur noch alleine auf die Straße gehen. Ab 18 Uhr gilt Ausgangssperre. Autos dürfen nur mit Ausnahmegenehmigung benutzt werden. Journalisten dürfen sich frei bewegen - aber Sendungen mit mehr als zwei Personen im Studio sind verboten.

Einreisende aus Corona-Risikostaaten müssen sich für zwei Wochen selbst isolieren. Bei Zuwiderhandlung drohen Strafen bis zu 5.000 Euro.

Bis Mittwochabend waren 65 Corona-Infizierte und zwei Tote registriert. Das albanische Gesundheitsministerium meldete, der erste Kranke sei auf dem Weg der Besserung.

Im benachbarten Griechenland gab es Mittwochabend insgesamt 418 Infizierte, davon 31 Neue. Bisher sind fünf Menschen wegen der Infektion gestorben.

Bereits ein zweites Mal verschickte die Regierung des EU-Mitglieds eine SMS an alle Handybesitzer unter den 10,7 Millionen Einwohnern. Sie sollen ihre Häuser nur in dringenden Fällen verlassen. Grund für die Wiederholung dürfte sein, dass sich die Griechinnen und Griechen zwar tagsüber so weit es geht vom öffentlichen Leben fern halten - aber abends durch die Straßen flanieren. Nun wurde ein Verbot von Versammlungen über zehn Personen angekündigt.

Sorge bereitet die Verbreitung des Virus im Gesundheitswesen. Laut Ärzteföderation haben sich derzeit 48 Krankenhausangestellte mit dem Virus infiziert, 300 befinden sich in Quarantäne.

Das EU-Mitglied Bulgarien hatte schon vergangenen Freitag den Notstand ausgerufen. Offen sind nur noch Supermärkte, Apotheken und Tankstellen.

Die Einreise in den 7-Millionen-Einwohnerstaat ist für Bürger so unterschiedlicher Länder wie Bangladesch, China, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Indien, Italien, Iran, den Malediven, Nepal, den Niederlanden, Nordirland, Spanien, Sri Lanka, Südkorea und der Schweiz verboten. Alle Einreisenden müssen 14 Tage in häusliche Quarantäne.

Medizinische Fachkräfte sollen 500 Euro monatlich zusätzlich erhalten, nachdem 85 Ärzte, Krankenschwestern und Sanitäter gekündigt hatten, weil ihr Krankenhaus auf Infektionskrankheiten umgestellt werden sollte - ohne entsprechende Ausbildung, genügend Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel zur Verfügung zu haben.

Rumänien meldete Mittwoch, dass der "Korridor" für Bürger des EU-Lands durch Ungarn weiter offen gehalten wird. Rund 3.000 Rumänen hatten in der Nacht zuvor Ungarn passieren dürfen, obwohl der EU-Nachbar im Westen seine Grenzen geschlossen hatte - aber Rumänen, Bulgaren und Moldauer, die per Bus oder Auto reisten, in einem nächtlichen Zeitfenster weiter durchreisen ließ.

Auch Rumänien hat Grenzübergänge geschlossen. Die Flugverbindungen mit Italien wurde vergangene Woche ausgesetzt. Dort leben etwa 1,2 Millionen der rund 20 Millionen Staatsbürger.

Donnerstag waren offiziell 277 Rumänen mit dem neuen Coronavirus infiziert. Viele davon waren zuvor in Italien, dem EU-Land mit der höchsten Zahl an Corona-Fällen. Wer jetzt nach Rumänien einreist, muss für 14 Tage in häusliche Quarantäne, Einreisende aus Ländern mit über 500 Corona-Fällen in institutionalisierte Quarantäne.

Die östliche von Rumänien liegende Republik Moldau hat Anfang der Woche den Notstand ausgerufen. Dort gibt es nach offiziellen Angaben 36 Infektionen und einen Todesfall.

Der Präsident des zwei-Millionen-Einwohnerstaats Nordmazedonien hat am Mittwoch den Ausnahmezustand verhängt. Der gilt vorerst für 30 Tage und kann um die selbe Zeitspanne verlängert werden.

Am Mittwochabend waren offiziell 36 Personen infiziert. 24 von ihnen stammen aus Gemeinden an der Grenze zu Albanien, alle hatten sich bei einem Ehepaar angesteckt, das zuvor in Italien gewesen war. Die Region wurde vor einer Woche zum Krisengebiet erklärt. Seitdem verhindern Polizei und Armee, dass sich irgendwer nähert.

Der amtierende Gesundheitsminister erwartet die Spitze der Corona-Krise für Mitte April. Dann wird mit etwa 2.000 Patienten gerechnet. Das Hauptziel der technischen Regierung ist, diese Zahl zu begrenzen, damit das Gesundheitssystem nicht zusammenbricht.

Kosovo, der jüngste Staat Europas, hatte bereits am letzten Wochenende den medizinischen Notstand ausgerufen. Damals war noch keine Infektion bekannt, am Mittwoch Abend waren es 20.

Die Grenzen sind seit vergangenem Samstag für Ausländer geschlossen. Flüge sind - mit Ausnahme von Militär und medizinischen Notfällen - seit Montag verboten. Da aber mindestens ein Drittel der zwei Millionen Einwohner im Ausland leben und arbeiten, kam es wohl weiterhin zu Einreisen auf dem Landweg.

Der Premierminister forderte die Bürger per Videobotschaft auf, in ihren Häusern zu bleiben und ein Höchstmaß an Hygiene zu gewährleisten. Der zur Opposition gehörende Staatspräsident fordert den Ausnahmezustand - der ihm mehr politische Kompetenzen bringen würde. Was die Regierungskoalition strikt ablehnt.

Für die sieben Millionen Einwohner des benachbarten Serbien gilt seit Mittwochabend eine Ausgangssperre zwischen acht Uhr abends und fünf Uhr morgens. Zu diesem Zeitpunkt waren 72 Infektionen bekannt. Das öffentliche Leben ist weitgehend zum Erliegen gekommen. Der Nahverkehr in der Hauptstadt Belgrad fährt nach Samstagsfahrplan. Cafés und Restaurants öffnen um acht und schließen um 20 Uhr.

Die Armee kontrolliert an den Staatsgrenzen. Eine Schließung wird erwogen. Die Kommission der für den 26. April geplanten Parlamentswahlen hat alle politischen Aktivitäten ausgesetzt. Seit Dienstag dürfen Menschen über 65 Jahren ihre Wohnungen nicht mehr verlassen, seit Mittwoch sind Besuche bei über 65Jährigen verboten.

In Bosnien und Herzegowina wurden am Mittwoch vier neue Infektionen registriert. Damit stieg die Zahl CoronaFälle in dem 3,5-Millionen-Einwohnerland auf 38. Aufgrund dieser Verbreitungsgeschwindigkeit hat die ansonsten notorisch sich selbst blockierende Zentralregierung des Staates in seltener Einmütigkeit den Katastrophenzustand für alle Landesteile ausgerufen.

Die Grenzen werden schon seit zwei Tagen mit Hilfe der Armee kontrolliert. An diesem Donnerstag und Freitag sollen dort Betten für die 14-tägige obligatorische Quarantäne für alle Einreisenden sowie Arbeitsplätze für medizinisches Personal aufgebaut werden. Vor einer Woche waren die ersten 161 Passagiere aus Berlin kommend am Flughafen Tuzla in Quarantäne geschickt worden.

Mitarbeit/Zulieferung:

Sinisa Bogdanovic, Alexandar Detev, Boris Georgievski, Dragan Maksimovic, Radomir Krackovic, Ivica Petrovic, Dana Scherle, Florian Schmitz, Anila Shuka

Text auf Deutsche Welle