Auch wenn der jüngste BND-Skandal in Sachen Ausspähung von Medienmenschen durch Ihresgleichen den Anschein erwecken könnte: JournalistInnen arbeiten bei weitem nicht nur als Zuträger und Spitzel für Geheimdienste. Medienfachleute sind in vielen Branchen unterwegs. In jüngster Zeit arbeiten immer mehr Journalisten für Think-Tanks, Beratungsfirmen - und vor allem die Unternehmen der boomenden Sicherheitsbranche - nicht nur in Krisengebieten.
Toby Latta zum Beispiel: Der ehemalige Leiter der deutschen Dependance des weltweit aktiven Risikoberaters Control Risks Group www.crg.com berichtete Anfang der Neunzigerjahre als freier Reporter aus Moskau. Eines seiner Spezialgebiete war die organisierte Kriminalität - ein Thema, das neben den Medien auch Unternehmen interessiert, die in Russland investieren wollen. Sie erhalten ihre Informationen über die Glaubwürdigkeit potenzieller Geschäftspartner, deren persönlichen und politischen Hintergrund, von Agenturen wie CRG.
Für Journalisten ist die Mitarbeit bei privaten Nachrichtendiensten oft auch eine Zweitverwertung des eigenen Archivs. Die Arbeit für solche Intelligence Provider unterscheidet sich nicht wesentlich von dem, was Journalisten ohnehin tagtäglich tun. Im Mittelpunkt steht die zeitaufwändige Auswertung der jeweiligen Medien des Landes und anderen allgemein zugänglichen Quellen. Hinzu kommt Recherche bei eigenen Kontakten und Informanten, ohne die keine Journalist auskommt. Es ist also nur folgerichtig, dass private Nachrichtendienste gerne mit Journalisten kooperieren: Oft haben diese die halbe Arbeit schon erledigt, bevor der Auftrag vom Intelligence Provider kommt.
Auch die "Spokespersons" internationaler Organisationen haben oft einen journalistischen Background. Kris Janowski etwa, Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Genf, war zuvor Korrespondent des US-Senders Voice of America. Liam McDowell vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag kommt von der US-amerikanischen Nachrichtenagentur Associated Press.
Manche KollegInnen sind nur zeitweise auf der anderen Seite tätig, andere bleiben länger oder für immer dort. Der Russe Alexander Iwanko begann seine Karriere als Redakteur der Moskauer Iswestija. Während der Afghanistankriege der Achtzigerjahre ging er für seine Zeitung nach Kabul. In den Neunzigern wurde er Pressesprecher der UN in Exjugoslawien. Heute ist Iwanko Berater des Hohen Repräsentanten der OSZE für die Freiheit der Medien in Wien. Von einer Rückkehr in den Journalismus will er nichts hören - genauso wenig wie viele seiner ExkollegInnen, die weltweit bei staatlichen Institutionen, Verbänden oder Hilfsorganisationen untergekommen sind.
Ein weiterer Grund, warum sich immer mehr Journalisten außerhalb ihres Kerngeschäfts Kundschaft suchen, ist, dass es immer schwieriger wird, innerhalb des traditionellen Journalismus Expertenwissen zu erhalten. Die wenigsten Redaktionen leisten sich heute noch spezialisierte Fachredakteure. Auch die Honorare für Buchpublikationen, noch in den Neunzigerjahren eine der Hauptnebenerwerbsquellen von Medienleuten, werden immer schlechter. Zudem sind Bücher zeitaufwändig. Umso attraktiver sind andere, besser bezahlte Nebenjobs geworden. Verwerflich ist das nicht - schließlich tragen sie auch dazu bei, dieses Expertenwissen für die Medien zu erhalten.