Der Abzug der serbisch-bosnischen Truppen von den beiden strategisch wichtigen Bergen Igman und Bjelasnica bei Sarajevo ging gestern nur zögerlich voran. Nach Angaben bosnischer Militärs räumten die serbischen Truppen am späten Vormittag die ersten Stellungen auf den Anhöhen um die Stadt. Gleichzeitig meldete die UNPROFOR, Truppen der Vereinten Nationen hätten gemäß der Absprachen mit den Militärkommandeuren der Bosnier, Serben und Kroaten begonnen, ihre Stellungen auf den Berghängen um die bosnische Hauptstadt zu beziehen.
Während die Minister der sechzehn Staaten des Nato-Rates in Brüssel weiter über Luftangriffe auf die serbischen Stellungen um die bosnische Hauptstadt berieten, bereiteten sich die Blauhelme in Sarajevo auf den Ernstfall vor. Sollten sich Clinton-Administration, Nato und UN auf Luftangriffe gegen die serbischen Belagerer einigen, so werden den rund 9.000 Soldaten der UN-Schutztruppen nach eigener Einschätzung etwa zehn Stunden bleiben, um sich gegen mögliche Vergeltungsangriffe zu schützen. Schon jetzt befestigen die französischen, ukrainischen und ägyptischen UN-Soldaten daher ihre Quartiere mit Sandsäcken und planen Fluchtwege.
Die Bosnien-Vermittler von EG und UNO, Owen und Stoltenberg, haben derweil die Suche nach einer Verhandlungslösung des muslimisch-serbischen Konflikts um Sarajevo offenbar aufgegeben. In Genf schlugen die beiden Diplomaten dem UNO-Sicherheitsrat vor, statt dessen eine Übergangslösung für die seit sechzehn Monaten belagerte Stadt zu suchen. Wegen der "weit auseinandergehenden Vorstellungen von Muslimen und Serben" sowie angesichts der "emotionsgeladenen Atmosphäre" bei den Verhandlungen sei die Vereinbarung einer dauerhaften Lösung für Sarajevo derzeit nicht möglich. Die nicht näher erläuterte "Übergangslösung" solle "für eine Jahr oder länger" gelten. Nach einem Waffenstillstand werde es für Serben und Muslime dann vielleicht leichter sein, einen Kompromiß zu finden.
Während die Delegation des muslimischen Präsidenten Bosnien-Herzegowinas, Izetbegovic, am Genfer Verhandlungstisch auf eine für alle ethnischen Gruppen offene Stadt Sarajevo ohne jegliche Einschränkung des Zugangs besteht, forderte Serbenführer Karadzic erneut die Teilung der Stadt. Ein den Muslimen vorbehaltener Innenstadtkern soll vollständig von serbischen Außenbezirken umgeben werden und das Verlassen der Stadt nur über einen Straßenkorridor in das nördlich gelegene Tuzla möglich sein.