Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Blauhelme beziehen Stellung in Gorazde

In der von der Unprofor zur "militärischen Sperrzone" erklärten ostbosnischen Stadt Gorazde bot sich den ersten gestern eingetroffenen UNO-Soldaten ein schreckliches Bild. Vorrangige Aufgabe ist die Evakuierung von Schwerverwundeten | Von Rüdiger Rossig

Den 140 Blauhelmen, die in der Nacht zum Sonntag in der ostbosnischen UN-Schutzzone Gorazde eintrafen, bot sich offenbar ein Bild des Schreckens. Die beiden obersten Stockwerke des Krankenhauses der Kleinstadt an der Drina seien zerstört, rund 400 Schwerverletzte lägen in umliegenden Gebäuden, hieß es im Hauptquartier der UN-Schutztruppen (Unprofor) in Sarajevo. Unprofor-General Andre Soubirou berichtete, nach der Ankunft des aus 60 Fahrzeugen bestehenden Konvois in Gorazde seien viele Menschen aus ihren Unterständen gekommen, um das aus ukrainischen Blauhelmen, skandinavischen Sanitätern und Militärbeobachtern bestehende Kontingent zu begrüßen.

Noch in der Nacht zum Sonntag schien ein erneutes Eingreifen der Nato-Luftstreitkräfte kurz bevorzustehen, nachdem die serbischen Belagerer Gorazdes trotz der Zusagen ihrer Führung den Beschuß der Schutzzone nicht eingestellt hatten. Daß es letztendlich nicht dazu kam, hängt allem Anschein nach mit unterschiedlichen Einschätzungen der militärischen Entwicklung bei Nato und UNO zusammen. Aus US-Regierungskreisen verlautete, die von den USA unterstützte Anforderung von Luftangriffen sei von der UNO abgelehnt worden, weil der Beginn von serbischen Rückzugsbewegungen relativ spät festgestellt worden sei. Gestern morgen erklärte der UNO-Sonderbeauftragte für das ehemalige Jugoslawien, Yasushi Akashi, es gäbe nun keinen Grund für Luftangriffe mehr, da der in der Nacht in Kraft getretene Waffenstillstand halte.

Nach dem Ultimatum, das die Nato den bosnischen Serben am Freitag abend gestellt hatte, müssen diese nun bis Mittwoch um 2.00 Uhr ihre schweren Waffen um 20 km von allen UNO-Schutzgebieten in Bosnien-Herzegowina abziehen. Konkret betrifft die Drohung mit Luftangriffen die ostbosnischen Städte Gorazde, Srebrenica und Zepa, das zentralbosnische Tuzla und die Enklave Bihac im Westen der ex-jugoslawischen Republik. Gorazde wurde zudem zur "militärischen Sperrzone" erklärt, was beinhaltet, daß die bosnischen Serben bei jeglicher Handlung gegen die Bedingungen des Ultimatums mit sofortigen Lufteinsätzen rechnen müssen.

Gestern morgen begannen die in Gorazde eingetroffenen Blauhelmsoldaten damit, Stellungen in der drei Kilometer tiefen Pufferzone um den Stadtkern zu beziehen. Ihre Aufgabe ist die Überwachung des Abzuges der serbischen Truppen. Im Laufe des Tages wurden Hilfskonvois aus Sarajevo und Belgrad erwartet. Das Begleitpersonal hat vor allem auch die Aufgabe, Schwerverwundete aus der zerstörten Stadt zu evakuieren.