Nach mehr als 30 Jahren muss der aus der Türkei stammende Journalist und taz-Autor Ertuğrul „Adil“ Yiğit Deutschland wohl Ende Februar verlassen. Am 21. November 2017 hatte die Hamburger Ausländerbehörde seine Aufenthaltserlaubnis nur um drei Monate verlängert. Eine Reaktion auf den Einspruch von Yiğits Anwalt steht bis heute aus. Yiğit geht davon aus, dass die Entscheidung mit den Protesten gegen den G20-Gipfel im Juli 2017 zusammenhängt. Er war einer der Journalisten, deren Akkreditierung entzogen wurde. Daher verklagte er Bundespresseamt und BKA. Auch nach einer Entschuldigung letzterer Institution zog er seine Klage nicht zurück. Das habe ihm die Ausländerbehörde verübelt.
Yiğit wurde am 24. April 1958 im osttürkischen Malatya geboren. In den späten 70ern, als die Türkei fast von der Gewalt zwischen Rechts- und Linksextremisten zerrissen wurde, schloss er sich der Linken an. Sein erstes Trauma erlitt er 1978, als zwei Nationalisten einem Freund vor seinen Augen in den Kopf schossen. Seine Aussage brachte die Killer vor Gericht. Er hatte weiter Angst. Weil er dachte, Angehörige von Minderheiten, Demokraten, Linken und Alewiten wären sicherer in Istanbul, zog er dorthin.
In Istanbul wurde Yiğit Mitglied der militanten marxistischen Organisation Dev Sol (Revolutionäre Linke) und besetzte mit anderen Häuser. Doch dann wurde die Gewalt unerträglich. „Ich habe nur knapp einen Bombenanschlag überlebt“, erinnert er sich heute, „ich konnte nicht zum Arzt gehen. Am Ende hat ein Beschneider mein Leben gerettet.“
Nachdem seine Wunden verheilt waren, reiste er nach Frankfurt, wo seine Schwester lebte. Von da aus zog er nach Köln, dann nach Hamburg. Dort erlebte er 1983, wie sein Freund Cemal Kemal Altun nach Ablehnung seines Asylantrag aus dem Fenster des Gerichtssaals sprang. Yiğit beschloss, lieber Asyl in Frankreich zu beantragen, man gewährte es ihm binnen sechs Tagen. „Ich heiratete meine deutsche Freundin Anita Friedetzky, die gerade das Hamburger Büro der taz eröffnete, und zog dorthin.“ Yiğit begann zu schreiben – aber hielt parallel den Kontakt zu seinen alten Genossen. 1996 fand die Hamburger Polizei Waffen in einem Reisebüro, das er angemietet hatte. Er floh mit einem falschen Pass in die Türkei. Als er zwei Jahre später zurückkehrte, um seine Familie – er hat vier Kinder in Hamburg – zu sehen, wurde er verhaftet. Es folgten zwei Jahre und acht Monate Gefängnis. Danach brach er alle Kontakte mit linken Organisationen ab.
Stattdessen schrieb Yiğit nun viel für die taz. Zudem gründete er die Onlineplattfom Avrupa Postası (Europa Post), die über die Türkei und Deutschland berichtet. Und reiste immer wieder mit falschen Papieren in die Türkei. „In der Türkei machen sie die Sachen direkt“, kommentiert Yiğit seine jetzige Lage. „Hier läuft das indirekt. Außenminister Gabriel serviert jetzt dem türkischen Außenminister Tee. Und ich soll bestraft werden.“