Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Zickzackkurs der Nato in Montenegro

Der Präsident der jugoslawischen Teilrepublik, Milo Djukanovic, lehnt die Kosovo-Politik Belgrads ab. Er wollte sich aus dem Konflikt heraushalten. Die Nato bombardierte trotzdem | Von Rüdiger Rossig

Rund 10.000 Menschen haben am Sonntag abend in der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica gegen die Luftangriffe der Nato auf Jugoslawien protestiert. An der Veranstaltung nahmen auch Politiker teil, die im Gegensatz zur Landesregierung loyal hinter dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic stehen. Die Stadtverwaltung von Podgorica hatte im letzten Moment ihre Unterstützung für die Kundgebung zurückgezogen.

Die montenegrinische Regierung unter Präsident Milo Djukanovic hatte versucht, sein Land aus dem Konflikt mit der Nato herauszuhalten. Doch mit den Luftangriffen der Nato zumindest in den ersten Tagen der Operation "Gemeinsame Kraft" auch auf militärische Ziele in Montenegro hat die Allianz die Stellung Djukanovics geschwächt. Dem auf dem Balkan gepflegten Image der Montenegriner entspricht Djukanovic höchstens, was seine Körpergröße angeht: Stattliche zwei Meter mißt der Präsident der kleineren der beiden restjugoslawischen Teilrepublik. In allen anderen Beziehungen jedoch ist "der schöne Milo" das genaue Gegenteil eines faulen Klischee-Montenegriners. Der Präsident der rund 600.000 "Schwarzberger" ist ein Arbeitstier. Der 36jährige hat eine steile Karriere hinter sich. 1991 wurde er - gerade mal 29 Jahre alt - nach Beendigung des Volkswirtschaftsstudiums vom damaligen Präsidenten Momir Bulatovic zum Ministerpräsidenten berufen. Djukanovic galt als Musterschüler der jugoslawischen Nomenklatura und unterstützte die Kriegspolitik des starken Mannes in Restjugoslawien, Slobodan Milosevic, was sich nach seinem Amtsantritt jedoch schnell änderte. - Zielstrebig brachte Djukanovic während der Kriege in Kroatien und Bosnien die Polizei und die staatlichen Medien Montenegros unter seine Kontrolle - ganz ähnlich wie Milosevic Ende der Achziger in Serbien. Djukanovics politisches Programm jedoch weist keinerlei Ähnlichkeiten mit dem des heutigen restjugoslawischen Präsidenten auf: Während der seit seinem Machtantritt jedes Antasten der Macht der exkommunistischen Nomenklatura und damit alle anstehenden wirtschaftlichen Reformen im Lande unterbindet, setzt Montenegros heutiger Präsident seit langem auf das westliche Konzept einer Verbindung von parlamentarischer Demokratie und Marktwirtschaft.

Damit war der Konflikt zwischen Djukanovic und seinem Vorgäner im Amt, Momir Bulatovic, vorprogrammiert. Vor zwei Jahren war es soweit - Djukanovic unterstützte die Opposition in Serbien offen gegen den Milosevic-Günstling Bulatovic. Gewappnet mit seiner erfolgreiche Wirtschaftpolitik - Krieg und Sanktionen haben in Montenegro weniger schlimme Spuren hinterlassen, als in Serbien -, seine seit langem vorsichtig gesponnenen Verbindungen in andere Teile Ex-Jugoslawiens und wohl auch das Geld, das er angeblich mit illegalem Zigaretten- und Benzinhandel angehäuft hat, nahm Djukanovic den Kampf auf. Mit Erfolg - am 15. Januar 1998 wurde er zum Präsidenten Montenegros vereidigt.

Mittlerweile ist der junge Ex-Apparatschick zu einer Art Liebling des Westens im Paria-Staat geworden. Radikal und öffentlich lehnt der Montenegriner die Kosovo-Politik Belgrads ab. Das hat ihm viele Pluspunkte gebracht - so viele, daß ihm die amerikanische Außenministerin Madeleine Albright letzte Woche US-Unterstützung für den Fall zusagte, daß Milosevic gegen die kleinere Teilrepublik vorgehen würde. Am Freitag richtete Nato-Generalsekretär Javier Solana vor dem Hintergrund von Gerüchten über einen geplanten Putsch gegen Djukanovic eine erneute Warnung an Milosevic. "Wir haben Mittel, ihn zu stoppen", sagte Solana. Einen Tag später sprengte die in Bosnien- Herzegowina stationierte SFOR ein Teilstück der Eisenbahnlinie Belgrad-Podgorica auf bosnischem Gebiet, um Truppenverschiebungen von Serbien nach Montenegro zu verhindern.