Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Bosnischer Waffenstillstand brüchig

Izetbegovic lehnt Gespräche mit bosnischen Serben ab - Kroatisch-bosnische Gegensätze - UNHCR will ZivilistInnen aus Srebrenica evakuieren - Weitere Sanktionen gegen Restjugoslawien geplant | Von Rüdiger Rossig

In Bosnien-Herzegowina ist kein Ende des Mordens abzusehen. Radio Sarajevo meldete am Montag vier Tote in der Hauptstadt der ehemaligen jugoslawischen Republik. Weitere 14 Kinder und 11 Erwachsene wurden bei dem Feuerangriff verwundet. Auch im Osten Bosniens wurde nach Angaben der UN-Schutztruppen wieder gekämpft. Die erneuten Kämpfe machen deutlich, daß der am Sonntag vor einer Woche in Kraft getretene Waffenstillstand zunehmend brüchig wird. Damit dürfte auch der nach UNO-Vermittler Cyrus Vance und EG-Unterhändler David Owen benannte Friedensplan weitgehend gescheitert sein. Der bosnische Präsident Alija Izetbegovic hatte das Papier, das eine Aufteilung seiner Republik in 14 weitgehend autonome Provinzen vorsieht, am 28. März unterzeichnet. Schon im Januar hatte der Kommandant der kroatischen Milizen in der Republik, Mate Boban, dem Plan zugestimmt. Das nicht gewählte "Parlament" der bosnischen Serben dagegen lehnte am Sonntag ab. Nach dem Vance- Owen-Plan hätte ihnen nur 40 Prozent der neuen, nach nationalem Proporz gebildeten Kantone zugestanden. Die Truppen des selbsternannten "Präsidenten" der international nicht anerkannten "Serbischen Republik Bosnien-Herzegowina", Radovan Karadzic, kontrollieren zur Zeit 70 Prozent Bosniens. An direkten Gesprächen zwischen den Konfliktparteien, die Karadzic nach der Ablehnung als Alternative zum Vance-Owen- Plan gefordert hatte, will der bosnische Präsident nicht teilnehmen. Statt dessen verwies Izetbegovic auf den UNO-Friedensplan, in dem die Muslime den Forderungen Karadzics sehr weit entgegengekommen seien.

In einer Erklärung des selbsternannten "Kroatischen Verteidigungsrates" (HVO) der Herzegowina forderten die kroatischen Kommandeure die offiziell mit ihnen verbündeten muslimischen Einheiten auf, ihre Truppen bis zum 15. April aus den kroatischen "befreiten Regionen" abzuziehen. HVO-Kommandant Mate Boban veröffentlichte am Sonntag ein Kommuniqué, in dem er das "militärische Oberkommando" in jenen drei Provinzen, die im Vance-Owen-Friedensplan für die kroatische Bevölkerungsgruppe vorgesehen sind, ausschließlich für sich fordert.

Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) will über 15.000 ZivilistInnen aus Srebrenica evakuieren. Täglich sollen 20 mit Lebensmitteln und Medikamenten beladene Lastwagen in die seit Monaten belagerte muslimische Enklave fahren. Auf dem Rückweg sollen die Fahrzeuge Kranke, Alte, Frauen mit Kleinkindern und Verletzte aus dem umkämpften Gebiet bringen. Noch am Sonntag hatten die muslimischen Behörden einen Evakuierungsversuch der UNHCR verboten, da dieser die Politik der "ethnischen Säuberung" Bosniens unterstütze. Nachdem es am Montag um Srebrenica herum wieder zu schweren Kämpfen gekommen war, stimmten die muslimischen Verteidiger der Evakuierung offenbar zu. Der Oberkommandierende der UN-Schutztruppen (UNPROFOR) im ehemaligen Jugoslawien, der schwedische General Lars Eric Wahlgren, forderte von den bosnischen Serben die Erlaubnis, 150 Blauhelme und Militärbeobachter in Srebrenica stationieren zu können. Die UN hoffen, durch Druck auf die Kriegsparteien eine Eroberung der Stadt bis zum Ende der Evakukierungen hinausschieben zu können.

Die Regierung der international nicht anerkannten "Bundesrepublik Jugoslawien" unterstützt die Entscheidung des selbsternannten "Parlamentes" der bosnischen Serben, den Vance-Owen-Friedensplan nicht anzunehmen. Der Weltsicherheitsrat kündigte in einer ersten Reaktion auf die erneute offene Parteinahme des aus den ehemaligen Republiken Serbien und Montenegro bestehenden Staates abermals eine Verschärfung der Sanktionen gegen die "Bundesrepublik Jugoslawien" an.