Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Wie geht es uns, Herr Küppersbusch? (1)

Die "neue Gerechtigkeit" der CDU zeigt, dass die Union in der närrischen Landtagswahl-Session als SPD gehen will, was an die 80er, die Geißler-Linie und die Frage erinnert, wann die SPD je wieder eine eigene Linie definieren kann

Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: SPD nennt keine klare Menschenrechts-Marschlinie für US-Besuch Merkels.

Was wird besser in dieser?

Sie tut's trotzdem.

Heute trifft sich die Regierungskoalition zur Klausur in Genshagen, um über Gesundheitspolitik, Kombilöhne und Investionen zu beraten. Wird dabei was herauskommen?

Die neue Unions-Positionierung, "neue Gerechtigkeit durch mehr Freiheit", klingt stark nach "bester Media-Murks aller Zeiten": Unter Merkel soll nun ein Kuschelrock durch Deutschland gehen. In der närrischen Landtagswahl-Session scheint die CDU als SPD gehen zu wollen,
was an die 80er, die Geißler-Linie und vor allem die Frage erinnert, wann die SPD je wieder eine eigene Linie definieren kann.

Bei den Kombilöhnen fürchten viele, dass damit reguläre Arbeitsplätze vernichtet werden. Zu Recht?

Über Frühverrentung etwa hat die letzte Unionsregierung der Wirtschaft die Menschenentsorgung finanziert. So gesehen ist Kombifeuern - Firma feuert, Staat zahlt - schlimmer als Kombilohn - Firma stellt ein, Staat zahlt. Wenn man mal davon absieht, dass beides ungefähr das ist, womit die DDR einen epochalen Selbstmord hinbekommen hat. Interessant ist die Zahl der Umdrehungen pro Minute, mit der das Unionsmotörchen seit der
Bundestagswahl Positionen tauscht: Sie werfen mit Staatsknete um sich, während SPD und Gewerkschaften auf den geringen Erfolg bisheriger Versuche hinweisen. Ein Ausweg ist, nur Arbeit staatlich zu finanzieren, die sonst gar nicht als solche erkannt wurde bisher: Pflege, Kinderbetreuung, Sozialjobs - Deutschlands größte Wachstumsbranche gehört definitiv dem Ehrenamt.

Der Aktienindex steigt und steigt - die Entlassungen nehmen kein Ende. Gibt es dazwischen einen direkten Zusammenhang?

Ja. Die Firma der Zukunft ist das so genannte Feuerwerk, das von Vornherein nichts herstellt, nach dem Staat grölt und rechtzeitig vom Unfallort verschwindet.

Die CSU und manche CDUler wollen den Ausstieg aus der Atomenergie kippen. Ist das nur Taktik - oder mehr?

Rhetorik vor allem. Die geforderte Option, "neue", also technisch unterscheidbar sicherere AKWs zu bauen, ist im rot-grünen Atomausstieg bereits enthalten und war der Köder für die Industrie: "Wir befehlen euch, alte AKWs abzuschalten, mit denen ihr eh kein Geld mehr verdient, und dann behauptet ihr, es gebe was tolles Neues, und dann können wir euch auch nicht hindern." Koch fordert also, was längst vereinbart ist. Oettinger will längere Laufzeiten und müsste dazu sagen, dass erhebliche Nachrüstungskosten dann den Strom ähnlich verteuern wie Gaspreis und Kohle-Invest. Merkel versteckt sich hinterm Koalitionsvertrag, um nicht offen zu sagen, dass sie Schiss vorm Wähler hat - der all das mehrheitlich ablehnt.

Die FDP will mehr mit den Grünen konkurrieren. Westerwelle hat dafür das schöne Wort "neosozial" erfunden. Hat die FDP Chancen, in grünem Klientel zu punkten?

Nein.

Die Grünen treffen sich Mitte der Woche zur Klausur in Wörlitz. Von denen hat man zuletzt nicht viel gehört. Was können sie tun, um Profil zu gewinnen?

Der historische Zweck der Grünen war, Transmissionsriemen für außerparlamentarische Bewegungen ins Parlament hinein zu sein. Schaffen sie das nicht mehr oder finden sie diese Bewegungen nicht, können sie ihren Laden zumachen.

In Stuttgart werden Muslime auf ihre Grundgesetztreue geprüft. Etwa, ob sie weibliche Chefs und schwule Söhne akzeptieren. Würde Edmund Stoiber diesen Test bestehen?

Die Frage "Was halten Sie davon, dass in Deutschland Homosexuelle öffentliche Ämter bekleiden" ist nicht zufällig auf Betreiben des Koalitionspartners FDP reingekommen?

Und was macht der deutsche Fußball?

Sorry, nervt. Beim nächsten Werbespot, der irgendwie auf WM rekurriert, trete ich das Radio ein.


FRAGEN: RR, SR