Slobodan Milosevic ist nun also doch an das UN-Kriegsverbrechertribunal ausgeliefert worden - obwohl das Verfassungsgericht gestern mittag die Auslieferung erst einmal aufgeschoben hatte. Das war kein Wunder den der ehemalige Staatschef hatte die Verfassungsrichter eingesetzt, die seine schnelle Überstellung an das UN-Kriegsverbrechertribunal verhinderten.
Die Richter am Verfassungsgericht in Belgrad sind bei weitem nicht die einzigen Überbleibsel des Regimes, das die Jugoslawen am 5. Oktober vergangenen Jahres gestürzt haben. Immerhin war Milosevic über 12 Jahre an der Macht. Nach wie vor bilden Altlasten aus dieser Zeit einen guten und mächtigen Teil der politischen Klasse. Gegen ihren massiven Widerstand können auf dem Balkan derzeit selten zentrale politischen Entscheidungen getroffen werden. Hinzu kommt, dass auch alte Feinde Milosevic wie der heutige jugoslawische Präsident Vojislav Kostunica die Auslieferung bislang ablehnten. Dahinter steht ein nationales Rechtsverständnis, das sie mit den Anhängern des alten Regimes teilen.
Seit gestern ist klar, dass sich der Reformflügel unter Serbiens Ministerpräsident Djindjic durchsetzen wird. Zum einen, weil Jugoslawien internationale Hilfe braucht , die nicht kommen würde, wenn Milosevic zu Hause gebliebe. Zum anderen wäre das Renommee der Vereinten Nationen gefährdet gewesen, wenn ihr eigens eingerichtetes Tribunal nicht der Hauptverantwortlichen für Gräuel und Massaker in Exjugoslawien habhaft werden könnte.
Klar ist: Die Auslieferung von Milosevic nach Den Haag ist die Folge massiven politischen Drucks und auch politischer Manipulation. Anders lassen sich die Diskussionen nicht bezeichnen, die in Belgrad und anderswo gestern geführt wurden. Es ging um die Frage, wie man das gerade erlassene Auslieferungsdekret umgehen könnte, das doch ursprünglich dafür sorgen sollte, dass der jugoslawische Exstaatschef garantiert den Weg nach Den Haag findet.
Doch dieser politische Druck entwertete weder das UN-Kriegsverbrechertribunal noch seine Urteile. Im Gegenteil: Ökonomische und politische Einflussnahme waren von Anfang an Teil des Verfahrens. So hätten schon die Verhaftungen in Bosnien seit 1996 nicht stattgefunden, wenn die internationale Gemeinschaft nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt hätte. Völkerrecht ist eben politisches Recht - das zeigt sich in Serbien nicht zum ersten Mal.