Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Langer Haß auf das Armenhaus

Die Grundlagen für den Krieg im Kosovo wurden in den späten achtziger Jahren gelegt. Damals starteten die staatlichen Medien Serbiens eine Hetzkampagne gegen die albanische Bevölkerung. Gerüchte wurden verbreitet, wonach Albaner wahllos andere, besonders serbische Menschen vergewaltigten oder erschossen | Von Rüdiger Rossig

Als Retter in der Not präsentierte sich den verunsicherten Serben Slobodan Milosevic, damals Chef der herrschenden Kommunisten. Der Exbankdirektor galt bis dahin als Apparatschik, avancierte schließlich zum Führer der neuen serbisch- nationalen Bewegung.

Milosevic war der erste hohe Funktionär der bisher betont internationalistischen jugoslawischen KP, der klar für und gegen eine bestimmte Volksgruppe Stellung bezog. Die nationale Intoleranz, die 1991 zum Untergang des gemeinsamen Staates führen sollte, war serbisch-offizielle Politik geworden.

Zum Verständnis dieser Entwicklung ist ein Blick auf die Lage im sozialistischen Jugoslawien Ende der achtziger Jahre wichtig. Nach dem Sieg gegen die deutschen Besatzer 1944/45 hatten die neuen kommunistischen Machthaber das Land weitgehend industrialisiert. Der Bevölkerung, die vor dem Krieg zu über siebzig Prozent weder lesen noch schreiben konnte, waren Schulen und Universitäten gebaut worden. Der Lebensstandard war seit den sechziger Jahren kontinuierlich gestiegen.

Doch seit dem Tod des Staatsgründers Josip Broz Tito am 4. Mai 1980 ging es wirtschaftlich mehr und mehr bergab. Mit dem Schwinden des Ost-West-Gegensatzes war das neutrale, aber doch kommunistische Land für den Westen als Verbündeter gegen Moskau uninteressant geworden. Die während des Kalten Krieges großzügig gewährten Kredite blieben aus, die Preise stiegen und mit ihnen auch die Inflation, die 1989 die Zweihundertprozentmarke überschritt.

In Krisenzeiten sind die Menschen nicht nur auf dem Balkan für Demagogie und einfache Lösungen zugänglich. Zudem wurden die Greuelgeschichten scheinbar von der Tatsache gestützt, daß die Albaner in den Jahrzehnten zuvor tatsächlich mehr Einfluß im Kosovo gewonnen hatten. Kein Wunder: Seit 1945 hatten vor allem viele Serben diese ärmste Region Jugoslawiens verlassen, um sich in den Städten Serbiens ein besseres Leben aufzubauen. Die Albaner dagegen hatten - mit Enver Hoxhas Stalinisten an der Macht im Mutterland - keine derartige Ausweichmöglichkeit.

Die staatliche Serbische Akademie der Wissenschaften und Künste formulierte 1985 ein "Memorandum zur Lage der Serben in Jugoslawien". Die Abwanderung der Serben aus dem Kosovo sei Folge einer Unterwanderungspolitik durch die Albaner - mit dem Ziel einer Abspaltung der "Wiege des Serbentums" vom Mutterland.