Nach dem Mord an einem Fahrer eines britischen Hilfskonvois im zentralbosnischen Zenica hat die Regierung in London ihre humanitäre Hilfe für die umkämpfte Republik vorerst suspendiert. Am Donnerstag abend hatten mindestens drei uniformierte Männer drei britische Angestellte des UN-Hochkommissariates für Flüchtlinge (UNHCR) samt Geländewagen vor einem Lagerhaus entführt. Anschließend fuhren die Bewaffneten mit ihren Geiseln an den Stadtrand, plünderten sie aus und erschossen den 35jährigen Paul Goodall. Seine beiden Kollegen konnten schwer verletzt entkommen. Obwohl die Identität der Täter bisher unklar ist, forderte der britische Außenminister Douglas Hurd gestern ausdrücklich die bosnische Regierung auf, die Schuldigen zu ermitteln. Die in der exjugoslawischen Republik stationierten britischen UNO-Truppen seien von dem Vorfall vorerst nicht berührt. UNHCR-Sprecherin Sylvana Foa wertete den Überfall in Genf als Beleg für den "Zusammenbruch von Recht und Ordnung". Im Oktober vergangenen Jahres hatte der Mord an einem UNHCR-Mitarbeiter zu einer vierwöchigen Aussetzung der Hilfskonvois geführt
US-Außenminister Warren Christopher appellierte unterdessen an Frankreich, die Wortgefechte um die richtige Bosnienpolitik zu beenden. Er rief die Alliierten auf, sich auf einen militärischen Einsatz der Nato gegen die bosnischen Serben vorzubereiten. Ziel sei es, den Flughafen von Tuzla zu öffnen und ein Ende der Belagerung Srebrenicas zu erzwingen. Die USA seien bereit, die Beschlüsse des Brüsseler Nato-Gipfels durchzusetzen. Den Einsatz amerikanischer Bodentruppen schloß Christopher allerdings erneut aus. Der US-Senat hatte vorher mit 87 gegen neun Stimmen Clinton aufgefordert, eine Aufhebung des UNO-Waffenembargos gegen Bosnien zu erwirken.
In Paris blieb Christophers Appell offenbar ungehört. Der französische Botschafter in Washington, Jacques Andreani, warf der US-Administration erneut vor, sie sei nicht gewillt, alle Kriegsparteien zu einer Friedenslösung zu bewegen. Frankreich wolle Bosnien nicht zerschlagen, bleibe aber bei der Forderung nach Druck auf die Regierung in Sarajevo, um diese zum Akzeptieren der Dreiteilung des Landes zu bewegen.