Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Serben geben sich unbeeindruckt

Nach dem UNO-Ultimatum: Karadzic verläßt Genfer Gespräche - Rußland fordert Sitzung des Weltsicherheitsrates - Griechenland will Nato seine Militärbasen nicht zur Verfügung stellen | Von Rüdiger Rossig

Die erste Reaktion ließ alle moderaten Töne vermissen: "Keinen Millimeter", so der "Informationsminister" der international nicht anerkannten "Serbischen Republik Bosnien-Herzegowina", Miroslav Toholj, würden die serbischen Geschütze um Sarajevo bewegt werden. Wenig später verließ der "Präsident" der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, die Genfer Bosnien-Gespräche. Er werde erst wieder verhandeln, wenn eine internationale Untersuchungskommission zum Granatenangriff auf Sarajevo vom letzten Samstag gebildet worden sei. Eine Verantwortung für das Massaker, bei dem 68 Menschen getötet und weitere 200 verletzt worden waren, lehnte der frühere Psychiater erneut ab.

Zuvor hatten die 16 Botschafter der Nato-Staaten die bosnischen Serben ultimativ aufgefordert, binnen 10 Tagen ihre Geschützstellungen um Sarajevo um 20 Kilometer zurückzuziehen. Im gleichen Zeitraum müssen die bosnischen Regierungstruppen ihr schweres militärisches Material der UNO überstellen. Die Frist, die die Nato-Versammlung in Brüssel sowohl den Belagerern als auch den Verteidigern der bosnischen Hauptstadt zur Durchführung der Operation setzte, begann gestern nacht um ein Uhr mitteleuropäischer Zeit.

Gemäß dem Nato-Beschluß sollen Panzer, Artilleriegeschütze und anderes militärisches Material, das sich nach der Nacht auf den 20. Februar innerhalb des von der Nato bestimmten Radius befindet, der Kontrolle der UN-Schutztruppen (Unprofor) unterstellt werden. In Übereinstimmung mit den UN-Beschlüssen vom 2. und 9. August kündigte das Bündnis an, bei Zuwiderhandlung würden die "schweren Waffen aller Parteien in Sarajevo [...] Nato-Schlägen aus der Luft ausgesetzt sein. Diese werden in enger Abstimmung mit UN-Generalsekretär Butros Ghali durchgeführt". Eine Fristverlängerung wurde ausdrücklich ausgeschlossen.

Während die Reaktionen auf das Nato-Ultimatum im Westen fast durchgängig positiv aufgenommen wurden, drohte der Führer der rechtsextremen "Radikalen Partei" Serbiens, Vojslav Seselj, den Nato-Staaten mit Terroranschlägen. Aus dem diplomatischen Korps der ex-jugoslawischen Republik verlautete, Luftangriffe gegen die Stellungen um Sarajevo wären "eine Aggression gegen das UN-Mitglied Bosnien-Herzegowina". Dessen Premier und Außenminister Haris Silajdzic hatte die Nato-Beschlüsse zuvor ausdrücklich begrüßt und das Bündnis zudem aufgefordert, neben Sarajevo auch den von serbischen Truppen eingeschlossenen Kessel von Bihac im Nordwesten seines Landes zu schützen.

Der Chef des bulgarischen Aufklärungsdienstes warnte vor einer Ausweitung des Krieges. Rußland forderte eine Dringlichkeitssitzung des Weltsicherheitsrates. Auch innerhalb des westlichen Bündnisses gab es Widerstand gegen den Beschluß: Die griechische Regierung stellte gestern noch einmal ausdrücklich klar, daß sie Militäreinsätze gegen die bosnischen Serben ablehne. Trotzdem hatte der Athener Botschafter in Brüssel darauf verzichtet, die Entscheidung mit seinem Veto zu blockieren.