Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Eine Stimme des anderen Serbien

Nationalismus, ethnische Säuberung, Krieg - mit diesen Begriffen wird Serbien seit den frühen 1990ern weltweit assoziiert. Dabei gab und gibt es auch ein anderes, weltoffenes, multikulturelles, friedliches Serbien. Und für dieses andere Serbien steht kaum ein Mensch so sehr, wie Lepa Mladjenovic, die gerade mit dem Anne-Klein-Frauenpreis der Heinrich-Böll-Stiftung ausgezeichnet wurde | Von Rüdiger Rossig

Seit Beginn der Jugoslawienkriege 1991 war die 1954 in Belgrad geborene Feministin, Zivilgesellschafts- und "LGBT"-(Lesben-Schwule-Bisexuelle-Transgender)Aktivistin immer ganz vorne mit dabei, wenn gegen Nationalismus, Chavinismus, Sexismus und die Ausgrenzung von Minderheiten protestiert wurde. Die Politisierung der studierten Psychologin begann aber viel früher. Schon an der Uni fiel sie dadurch auf, dass sie autoritäre Pofessoren kritisierte, schlechte Studienbedingungen und die Ausbeutung von Studierenden anprangerte. Später schloss sie sich der anti-pychatrischen Bewegung an, organsierte 1982 die erste Konferenz zu diesem Thema im legendären Belgrader Studenten-Kulturzentrum SKC, einem der Zentren der jugoslawischen Punk-, New Wave und Alternativbewegung.

Als die Kämpfe begannen, verlegte Lepa Mladjenovic den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten auf den Kampf gegen Nationalismus, Militarismus und Krieg. Zusammen mit Mit-StreiterInnen in Slowenien und Kroatien gründete sie die ersten SOS-Frauennotrufe im zerfallenden Balkanstaat. Als die meisten in Serbien ihre Kontakte in die "separatistischen" jugoslawischen Nord-Republiken abbrachen, intensivierten sie und die anderen Mitglieder der legendären Oppositionsgruppe "Frauen in Schwarz" die Zusammenarbeit mit den Anti-Kriegs-AktivistInnen auf der anderen Seite der Front. Paralell zum Kampf gegen den Krieg war sie einer der Mit-Gründerinnen des Autonomen Frauenzentrums Belgrad.

Lepa Mladjenovic war von Anfang an klar, dass hinter dem Nationalismus in Serbien und den anderen post-jugoslawischen Staaten vor allem eins stand: Feindschaft gegen jede Form des Andersseins. Und, dass diese Ideologie sich in dreierlei Hinsicht ganz konkret gegen Leute wie sie richtet: Als Oppositionelle, als Frau und als Lesbe. Auch darum gibt es wenige Aktivistinnen, die den nach Berlins erster lesbischer, feministischer Frauensenatorin Anne Klein benannten Preis mehr verdient haben, als sie.